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Im Jahr 2020 findet sich eine Gruppe von Kunst- und Kulturschaffenden sowie Menschen aus den Bereichen des politischen Aktivismus und der politischen Bildung zusammen, um eine Installation zum brandenburgisch-preußischen Versklavungshandel im Deutschen Technikmuseum zu bearbeiten. Die Installation, die das Thema emotional zugänglich und vermittelbar machen sollte, steht zu jenem Zeitpunkt seit vielen Jahren in der Kritik. Insbesondere von Schwarzen Aktivist*innen wird ihr Rassismus-reproduzierender Charakter problematisiert. Nachdem bereits einige Jahre zuvor eine Diskussionsveranstaltung zwischen Museumsmitarbeitenden und Aktivist*innen stattgefunden hatte, die zunächst folgenlos blieb, machen es sich im Jahr 2020 zwei Museumsmitarbeiterinnen gemeinsam mit zwei Künstler*innen und Mitarbeitern der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) und der Organisation Berlin Postkolonial zur Aufgabe, das Thema Kolonialismus im Technikmuseum anhand dieser vielfach kritisierten Installation aufzugreifen.
Es gibt mehrere Versuche, eine öffentliche Förderung für das Projekt zu akquirieren, da die Umgestaltung der Installation zu diesem Zeitpunkt nicht aus den Mitteln des Museums selbst finanziert werden kann. Letztlich wird das Unterfangen durch den Projektfonds Zeitgeschichte und Erinnerungskultur der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa finanziert. Im Verlauf der gestellten Förderanträge verändert sich auch die Konzeptionierung des Projektes immer wieder, je nach Art der Ausschreibung. Letztlich erhält die Projektgruppe einen Zuschlag für die künstlerisch-performative Dekonstruktion der bisherigen Installation und die Durchführung von Workshops und Diskussionsrunden mit Museumsmitarbeitenden und Externen zum Umgang mit dem historischen Erbe von Kolonialismus im Museumskontext. Diese Foren sollen dazu dienen, einen kritischen Umgang mit dem deutschen Kolonialismus und seinen Folgen bis heute sowie der Verantwortung des Technikmuseums für die gesellschaftliche Repräsentation dieser Themen anzuregen. Wunsch der Projektgruppe ist es, eine von der konkreten Installation ausgehende breitere Auseinandersetzung mit den Themen Kolonialismus und Rassismus im Technikmuseum zu initiieren und dabei insbesondere den transdisziplinären Austausch mit Expert*innen vom institutionellen außen zu fördern.
Teil der Kern-Projektgruppe sind die beiden Künstler*innen Monilola Ilupeju und Philip Kojo Metz, Christian Kopp von der Organisation Berlin Postkolonial, Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) sowie die Museumsmitarbeiterinnen Anne Stabler - zu jenem Zeitpunkt Volontärin im Bereich Schifffahrt und Nautik - und Anne Fäser - zu jenem Zeitpunkt Kuratorin für Outreach. Hinzu kommen beratend Anna Yeboah und Nadja Ofuatey-Alazard (Each One Teach One – EOTO), Mitarbeiterinnen des Projektes DEKOLONIALE Erinnerungskultur in der Stadt, dem auch Christian Kopp und Tahir Della angehören. Der Projektverbund der DEKOLONIALE arbeitet zeitgleich an ähnlichen Themen wie die Projektgruppe des Technikmuseums, wenn auch mit einem sehr viel umfangreicheren und längerfristigen Konzept, und ist insofern eng mit diesem verbunden. Ein weiterer Teil dieses Projektverbundes ist das Stadtmuseum Berlin, das hier vor allem als administrative Unterstützung agiert.
Im August 2020 findet der künstlerisch-performative Abbau der bisherigen Installation im Technikmuseum durch Monilola Ilupeju und Philip Kojo Metz statt (https://www.youtube.com/watch?v=4dxmB1tAfQ0). Dieser wird in einem Live-Streaming online übertragen sowie auf eine Leinwand am Hausvogteiplatz in Berlin Mitte, an dem parallel eine Veranstaltung zur Straßenumbenennung der M*Straße stattfindet http://decolonize-mitte.de/. Dem Organisationsteam dieser Veranstaltung, die hier alljährlich ausgetragen wird und in diesem Jahr die tatsächliche Umbenennung der M*Straße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße feiert, gehören auch Christian Kopp und Tahir Della an. Die Veranstaltungen werden bewusst terminlich sowie inhaltlich verknüpft und nicht nur Christian Kopp ist auf beiden präsent, sondern auch Monilola Ilupeju und Philip Kojo Metz begeben sich im Anschluss an ihre Performance zum Straßenumbenennungsfest und sprechen hier auf dem Podium mit Anna Yeboah von der DEKOLONIALE über das Projekt am Technikmuseum.
Ende Oktober 2020 gehe ich nochmal ins Technikmuseum. Der Ort an dem die Installation stand ist nun leer und abgesperrt. Die vorgesehenen Workshops wurden bis zu diesem Zeitpunkt nicht konkreter geplant, auch weil Covid-19 weiterhin persönliche Zusammentreffen erschwert und der Austausch somit nur online stattfinden könnte.

Ich, Hanna Schwamborn, Studentin im Master Transkulturelle Studien an der Universität Bremen, stoße im April 2020 zur Projektgruppe am Technikmuseum, die an diesem Punkt die konkrete Zusammenarbeit aufnimmt. Covid-19 hält die Welt in Atem und die Projekttreffen finden, wie alles andere auch, online statt. Ich nehme im Rahmen einer Forschung für die Erstellung meiner Masterarbeit an diesen Treffen teil, begleite die vereinzelten Termine im Museum selbst sowie die Veranstaltung des künstlerisch-performativen Abbaus der bisherigen Installation im Technikmuseum durch Monilola Ilupeju und Philip Kojo Metz, ebenso wie die darauffolgende Podiumsdiskussion mit Monilola Ilupeju, Philip Kojo Metz und Anna Yeboah auf dem zeitgleich stattfindenden Straßenumbenennungsfest zur bisherigen M*Straße.
Ich führe außerdem ethnographische Interviews durch mit den Beteiligten der Kern-Projektgruppe. Aus meinem Material der teilnehmenden Beobachtung, dieser Interviews sowie meiner allgemeineren Auseinandersetzung mit den Themen Kolonialismus und Rassismus im Museumskontext entsteht ein Netz an Wissensformen, das ich in Form einer Mindmap beginne festzuhalten. Dieses assoziative Geflecht dient zunächst meiner eigenen Orientierung, wird dann aber zum Kernelement meiner Ausarbeitung der Ergebnisse meiner Forschung.
Mein Erkenntnisinteresse liegt in der Erforschung der Aspekte Machbarkeit, Problematiken und Potentiale transdisziplinärer, mehrperspektivischer Kollaborationen unter Beteiligung einer kulturellen Institution im Kontext der Aufarbeitung von Kolonialismus und Rassismus. Mein Ansatz ist dabei, einen Lernprozess aus der konkreten Praxis heraus zu initiieren und Handlungsempfehlungen, die sich hieraus ergeben, weiterzutragen: Was können wir aus den Erfahrungen in der Praxis lernen? Was passiert konkret, wenn diese unterschiedlichen Akteur*innen aus Kunst, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Aktivismus zusammentreffen und einen Austausch eingehen? Was ist das Potential von Kollaborationen im Kontext der Dekolonisierung im Museum und was muss beachtet werden, um dieses Potential auszuschöpfen? Welche sensiblen Themen und Problematiken tauchen hierbei auf, welche Widerstände treten in Erscheinung und wie kann diesen begegnet werden? Welche Rolle spielen Machthierarchien?
Es handelt sich hierbei nicht um eine Theoriearbeit, wenn auch einzelne Verweise gegeben werden, sondern vielmehr um eine Art Online Ausstellung und Kartierung der Themen- und Problemfelder sowie der Potentiale und Kontexte eines kollaborativen Dekolonisierungsansatzes/-Versuchs im Museum, wie ich ihn im Deutschen Technikmuseum begleiten durfte. Diese Kartierung/ Ausstellung/ Mindmap wurde durch mich zusammengestellt, bzw. kuratiert und trägt somit meine subjektive Handschrift, zeigt meine Blickwinkel und Interpretationen. Ich habe die Texte verfasst, auch wenn ich bewusst versucht habe, viel mit direkten Zitaten der Projektbeteiligten zu arbeiten. Dies ist auch ein Grund für die Ergänzung der anfänglich reinen Textform durch Audioaufnahmen, in denen die Projektbeteiligten selbst hörbar werden. Zusätzlich befinden sich an einzelnen Stellen in der Mindmap Bilder aus der Ausstellung und der Zusammenarbeit. Hierdurch soll eine gewisse Mehrschichtigkeit und -Perspektivität, wenn auch nur in Ansätzen, verdeutlicht werden.
Ich begreife die Mindmap als Teil der Auseinandersetzung um den Umgang mit dem kolonialen Erbe im Museumskontext und die Möglichkeit der transdisziplinären, mehrperspektivischen Arbeit an diesen Themen. Die Mindmap selbst wird zur Kontaktzone, in die zusätzlich zu den Projektbeteiligten noch der ethnografische Blick einer Studentin tritt. Die Mindmap ermöglicht es, die Ergebnisse meiner ethnographischen Forschung einerseits in das Feld der Auseinandersetzung zurückzutragen und andererseits eben jenes Feld nochmals für eine breitere Öffentlichkeit zu öffnen und zugänglich zu machen. Zum einen war es von Beginn an mein Interesse, die in meinen Augen wichtigen Wissensformen und Erfahrungen der Projektbeteiligten weiter zugänglich zu machen. Zum anderen sehe ich die gesellschaftliche Verantwortung meiner wissenschaftlichen Praxis auch darin, eine Sichtbarkeit für diese wichtigen aber weiterhin durch eine weiße Hegemonie marginalisierten und/ oder wenig nachhaltig gestalteten Diskurse zu fördern.
Die Mindmap ermöglicht zudem die Sichtbarmachung von Komplexität und Verwobenheit der Zusammenarbeit und ihrer Aushandlungsprozesse. Das Netz visualisiert die Querverbindungen und Assoziationen, aber auch die spezifische Lokalität der einzelnen Aspekte, in denen sich der*die Nutzer*in frei bewegen kann. Eine Linearität, wie wir sie aus einem Fließtext kennen, wird so umgangen. Gleichzeitig verdeutlicht das Netz die Existenz von jedem*r von uns in einem globalen und lokalen Geflecht an (Macht-)Verhältnissen. Der Raum im Museum, an dem die Installation zum brandenburgisch-preußischen Versklavungshandel bis vor kurzem sichtbar war, scheint nun also leer und doch verbirgt sich dahinter dieses komplexe Geflecht an Aushandlungsprozessen, Verbindungen und (Macht-)Verhältnissen, die diese Mindmap versucht darzustellen.

Sichtbar ist zunächst ein Ausschnitt der Mindmap, der den Titel der Arbeit zeigt sowie die zwei Kategorien, denen ich die Themenfelder meiner Forschungsergebnisse zugeordnet habe. Unter dem Punkt Kontaktzone finden sich jene Aspekte, die die konkrete Kollaboration zwischen den unterschiedlichen Akteur*innen im Technikmuseum betreffen. Unter dem Punkt Möglichkeitsraum habe ich die etwas allgemeineren Aspekte zusammengefasst und Kontexte dargestellt, die sich für die Diskurs- und Museumspraxis aus einer Aushandlung von Dekolonisierungsprozessen ergeben.
In der Mindmap lässt es sich frei bewegen. Der gezeigte Ausschnitt kann verkleinert und vergrößert sowie hin und hergeschoben werden, ähnlich einer gängigen digitalen geographischen Karte. Durch das Klicken auf die farbigen Punkte, die sich neben den Schlagworten befinden, lassen sich nähere Erläuterungen, Audioausschnitte aus den Interviews oder Bilder aus dem Museum und von der Zusammenarbeit öffnen. Es kann den einzelnen Pfaden gefolgt werden, die die Mindmap darstellt, oder den Assoziationsketten, die durch die Verlinkung am Ende der Kurztexte unter siehe auch gegeben sind. Die Fenster lassen sich durch einen Klick auf das Kreuz oben rechts wieder schließen. In den Textbeiträgen sind meine Quellenverweise sowohl aus den einzelnen Interviews als auch aus meinem Forschungstagebuch (FT) angegeben, die jedoch nicht veröffentlicht sind.
Die Mindmap ist in einem längeren Prozess entstanden und bleibt immer ein unfertiges Produkt. Sie ist, um Monilola Ilupejus (Interview 2, S.19) Worte zu nutzen, wie alles andere auch, „ever-changing“. Die Kategorien, Unterkategorien, Anordnungen habe ich im Laufe meiner Auseinandersetzung mit den Forschungsergebnissen und ihrer Visualisierung immer wieder verändert. Zudem ließen sich sicherlich immer weiter Assoziationen anfügen. Die Mindmap ist insofern ein Zwischenstand, der durch die digitale Form immer wieder (weiter-)bearbeitet werden kann. Zu diesem Zeitpunkt werfe ich unter der Kategorie Kontaktzone einen Blick auf die konkrete Zusammenarbeit der Projektgruppe am Technikmuseum, ihre Beteiligten und den Ort/ die Orte ihrer Zusammenkunft.
Unter der Kategorie Möglichkeitsraum gebe ich allgemeinere Kontexte der Zusammenarbeit und des Diskurses um Dekolonisierungsprozesse im Museum sowie Ausblicke, die sich aus dem Projekt am Technikmuseum ergeben.

Unter dem Punkt Outline im Menü befindet sich eine Übersicht aller Texte aus der digitalen Mindmap in PDF Format zum Herunterladen, unter dem Punkt Verweise zu Literatur und Websites befindet sich eine Übersicht über die in den Texten verlinkten Quellen und Hinweise.